Geschichte:
Betrachtet man Drogenkonsum aus einer historischen Perspektive, stellt man fest, dass in vergangenen Jahrhunderten gelegentlicher Drogenkonsum, hier vor allem Alkohol, auch als Instrument zur Kontrolle des menschlichen Lebens angesehen wurde (sogar von Seiten der Kirche!) und dass gerade im 19. Jahrhundert zur Gewinnung von Kontrolle über Krankheiten und Schmerzen mit Drogen experimentiert wurde. Erst im 20. Jahrhundert wurde der Gebrauch zunehmend mit Kontrollverlust assoziiert und das Szenario vom drohenden Niedergang der westlichen Gesellschaft genutzt, um politische missliebige Gruppen zu diskreditieren („Gammler“, Hippies“…). Dabei wurde und wird regelmäßig zwischen legalen und illegalen Rauschmitteln unterschieden. Verbote wie z.B. in der US-amerikanischen Prohibition, aber auch in der Vergangenheit hierzulande haben Konsumierende kaum vom Gebrauch abgehalten, sondern nur die Wege in die Illegalität verschoben und damit riesige kriminelle Netzwerke begünstigt.
Gesundheitliche Risiken:
Diese bestehen zum einem bei nicht kontrolliertem Stoff „von der Straße“, der häufig mit gesundheitsschädigenden Beimischungen versehen ist, aber auch bei „reinem“ Cannabis, das heute einen wesentlich höheren rauscherzeugenden THC-Gehalt besitzt und dadurch schneller suchterzeugend wirkt. Problematisch ist dies auch für Menschen, die Cannabis zur Selbstmedikation nutzen, z.B. wegen chronischer Schmerzen, Depressionen, posttraumatischer Belastungsstörungen, schwerer Schlafstörungen oder ADHS im Erwachsenenalter. Hingegen verspricht ärztlich dosierte und engmaschig begleitete Behandlung mit medizinischem Cannabis bei ihnen eine dauerhafte Linderung und Verbesserung der Lebensqualität, wie Christel Lüdecke, Ärztliche Direktorin am Asklepios-Fachklinikum Göttingen feststellt. Bei Jugendlichen birgt der Konsum von Cannabis jedoch grundsätzlich erhebliche Risiken: je jünger, desto höher die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungs- und Hirnleistungsstörungen.
Weiche Drogen versus harte Drogen?
Den gelegentlichen Gebrauch von Cannabis – viele Alt68er haben das Kiffen mit in ihren Ruhestand genommen, könnte man unter „Genuss“ abspeichern, genauso wie andere abends ein Glas Rotwein trinken. Fachleute sind sich einig: Cannabis ist kaum eine Einstiegsdroge, wenn nicht eine entsprechende Prädisposition vorhanden ist, von daher wäre es sinnvoller, zwischen „weichem“ und „hartem“ Konsum zu unterscheiden. Wenn Drogen (auch Alkohol) dazu genutzt werden, um zeitweise gesellschaftliche und soziale Bedingungen des eigenen Lebens zu kompensieren, sollte man dann nicht auch gesellschaftliche Bedingungen genauer unter die Lupe nehmen, anstatt nur an Disziplin und Kontrollwillen zu appellieren? Der Politikwissenschaftler und Soziologe Dr. Robert Feustel beschreibt es so: „Zwei Dinge scheinen daher bedeutsamer, als Drogen irgendeine Macht zu unterstellen: Einerseits ist es nötig, die sozialpsychologischen Strukturen zu stärken, weil sie es sind, die destruktiven Tendenzen etwas entgegensetzen können; nicht die Strafverfolgungsbehörden. Andererseits bleibt es geboten, gegen politische und soziale Zumutungen anzukämpfen, die der Kapitalismus mit sich bringt und die Menschen zu Kompensation und Verdrängung treiben.“
(Kompensation und Kontrolle. Zur fragwürdigen Macht der Drogen. Soziale Psychiatrie Heft 186)
Die 2. Säule des Cannabis-Gesetzes steht noch aus, wäre aber dringend erforderlich, um Kontrolle über Anbau und Vertrieb zu gewinnen und die oben beschriebenen Risiken zu minimieren.
Quelle:
Hindenburger – Medizin und Co, 1. Quartal 2025
Text: Reha-Verein